In 120 Tagen 14 400 km auf vier Rädern durch zwei Kontinente und 11 Länder
Wie kommt man auf die Idee, mit dem Rad nach Peking zu fahren, werden wir am meisten gefragt. Michael Giefer (25) und ich, Sebastian Burger (19), wir sind beide die letzten Jahre schon viel Rad gewandert. Aber immer innerhalb Europas, da bei mir zum Beispiel die 45 Tage der bayrischen Sommerferien nie mehr als 6200 km zuließen. Getroffen haben wir uns auf unserer `97er Tour, wo wir beide rund 6000 km durch Skandinavien fuhren (Nordkap – was sonst…). Nach der Schule und vor dem Zivildienst konnte ich endlich mal länger weg, und so planten wir, gemeinsam die 10 000 km – Marke zu sprengen. Michael war sehr an Asien interessiert, mir geht es mehr ums Globetreten selbst – der Weg als Ziel – und so ergab sich Peking! Der entscheidende Moment war die IFMA `98, wo wir viele unserer elf Materialsponsoren fanden. Ohne dieses „Materialsponsoring“ ( Ware gegen schöne Bilder und Publicity) hätten wir die Tour nur schwer so durchziehen können.
Losgefahren sind wir gemeinsam am 1.7.99 in Bensheim bei Frankfurt. Nach den vielen hessischen Burgen und dem sehr dynamischen Altmühl-Tal geht’s mit Österreich durchs erste „Ausland“. An dem geraden und flachen Donau-Radwanderweg schließt Österreich nahtlos an Deutschland an, Auch in Ungarn konnten wir uns noch ganz gut mit Deutsch durchschlagen. Die einzigen Abenteuer, die wir in Ungarn erlebten, waren unangenehmer Art: allnächtliche Kämpfe mit Moskitos, da die ungarische Tiefebene, die wir einmal diagonal durchfuhren, teilweise Sumpfland ist. Rumänien ist da schon ganz andersartig, weil die Leute dort so arm sind: in den ersten Kreis, in den wir hineinfahren, „Judetul Arad“, sind die Straßen schlecht und man sieht den Leuten die Armut an der Kleidung an. Jedoch ganz nach dem Klischee “ arm, aber glücklich“, scheinen uns die Rumänen tatsächlich nicht unglücklich mit ihrem Leben: das Dorfbild ist wild und bunt, denn überall springen Haus- und Nutzvieh frei herum, die Häuschen sehen ganz nett aus…Fazit: wir hatten das Gefühl, dass die Leute das Beste aus ihrer Situation gemacht haben.
Ohne den Schriftwechsel ins Kyrillische und die Grenze hätten wir den Wechsel nach Bulgarien nicht bemerkt. Die Leute sind ähnlich und die Landschaft bleibt abwechslungsreich und attraktiv. Während wir in Ungarn etwa 180 bis 200 km am Tag „rasten“, pegelte es sich bei den beiden Balkanländern auf den 150er Schnitt für gute Strassen ein; nachher in den Wüsten und Ländern, um deren Straßenzustände wir nicht wussten, gestanden wir uns in der Planung 50-80 km ein; wir errechneten im Vorfeld 13000 km mit einem 120 km/Tag Schnitt, und das kam auch genau hin, allerdings wegen eines spontanen Umweges um 1400 km mehr…
Klar ist, dass es bei solchen Schnitten nicht möglich ist, groß in Museen zu gehen oder eine zweite Nacht bei einer netten iranischen Familie zu bleiben. Es gab drei Gründe für unsere „Asphaltfresserei“, wie es die langsamere Fraktion der Globetreter uns ankreidet: der Beginn meines Zivildienstes, die Visazeiträume (wir besorgten alle Visa in Deutschland) und die Tatsache, dass wir sowieso gerne schnell und viel fahren; dass wir wesentlich mehr als nur Teer und Pistenstaub gesehen haben, beweisen wir beide auf unseren Diashows, die wir ab Anfang 2000 anbieten.
In Rumänien und Bulgarien haben wir stets etwas geben müssen, wenn wir die Leute portraitieren wollten, „Gummi-gummi“ hieß es dann immer – Geld und Zigaretten waren der Kurs; wir haben uns dann immer auf einen Abzug der Dias als Gegengabe geeinigt, die wir nach der Reise dann auch verschickten. In der Türkei erleben wir diese Situationen ganz anders: die Leute sind stolz darauf, fotografiert zu werden! Überhaupt ist ein Wechsel in der Mentalität der Menschen festzustellen: wir haben ab unserem ersten moslemischen Land regen Kontakt und werden des öfteren zu „Cay“ eingeladen, überall im Orient heißt das „Tee“, und wir smalltalken viel; auch noch auf Deutsch, da wir viele junge Türken aus Hamburg, Köln und München treffen, von denen sich im Heimaturlaub niemand von der schlechtes Seite zeigt, wie man es hier manchmal hat, nicht zu vergessen die Alten, die nach mehreren Jahrzehnten Gastarbeiterschaft zurückgekehrt sind und noch ein paar Brocken Deutsch können. Es war im deutschen Juli schon sehr heiss, aber die Türkei toppt alles: bei Temperaturen stets um 35° C quälen wir uns durch den Norden Anatoliens in Richtung „Pkk-Land“, der ersten Region, wo alle Mütter, Großmütter und Freundinnen anfingen, um uns zu bangen… Wir erleben Ostanatolien als nicht minder gastfreundliches Land und die starke Militärpräsenz störte uns auch nicht, ganz im Gegenteil: wir fragten die Soldaten stets, warum sie überhaupt da seien. „Etwa wegen der Pkk?“ – „Nein, nein, nur zur Sicherheit“ hieß es unisono. Das sagten allerdings auch die Bauern und andere Zivilpersonen, mit denen wir den Schwarztee aus den kleinen Glaskaraffen tranken. Ich interpretiere das als türkischen Stolz: die Wahrheit wird verdreht („Türken und Kurden sind wieder Brüder!“), damit wir ja nicht mit einer eventuell schlechten Meinung das Land verlassen. Das tun wir nach zwei sehr netten Wochen Türkei auch aufgeklärterweise nicht.
Die nächste Grenze zum Iran – auch ein Klacks: 20 Minuten („Do you have sex magazines?“ – „No“ – „Ok,ok!“) und der freundliche Beamte erklärt uns, wie wir die Dollar, von denen wir jeder erstmal 500 dabei hatten, am besten schwarz hinter der Grenze tauschten; das taten wir immer. Hier gab es den dreifach höheren Kurs als in der Bank. Puh, es ist auf einmal noch heisser, die erste Nacht mit durchwegs 35° C schwitzen wir mehr, als dass wir schlafen. Dafür werden wir gleich von einem wahrscheinlich kurdischen Wüstendörfchen zu Schafskäse mit Fladenbrot, Cay und Eiswasser eingeladen – den einzigen elektrischen Luxus, den das Dorf hatte, war ein Gefrierschrank! Sonst sind wir im Iran eigentlich ständig eingekehrt: für umgerechnet 26 Pfennige gabs Reis mit Butter und halbes Hähnchen, für 10 Pfennig eine Flasche Cola oder Fanta oder ein Bechereis. Billiger geht’s wohl nicht! Obst gibt es hier zum Glück auch noch, wie in der Türkei auch schon. Allerdings blieben die herrlichen, frischen türkischen Brunnen aus: der Iran ist mit Ausnahme des Gebietes ums Kaspische Meer herum Wüste, also Ödland; bis wir am Ufer dieses „Meeres“ entlangfahren, bekommen wir nur Wasser, das grässlich schmeckte, leicht salzig nämlich! Am Kaspischen Meer, das wir wegen der Strassenführung leider nur zweimal sehen, regnet es den zweiten und dritten Tag unserer viermonatigen Radexpedition. Dort ist es sehr schwül, üppig grün und es wird das Korn für andere Teile des Iran angebaut. Der Iran ist für uns beide das gastfreundlichste Land auf unserer Reise: wir hätten quasi jede Nacht bei einer Familie schlafen können, es lief meist so ab: wir wollten auf dem Basar (orientalische Einkaufsmeile einer jeden Stadt) Obst kaufen, bekamen es teilweise geschenkt, dann tauchte auch schon der Englischlehrer des Dorfes auf und man sah, dass man toll kommunizieren konnte. So lud man uns mit nach Hause ein, wo ein erlesener Kreis von Freunden und Nachbarn miterleben durfte, was die beiden Wessis zu erzählen hatten. Grandios. Auf in die ex-russischen Ländereien Turkmenistan, Usbekistan und Kirgistan!
An der ersten Grenze stehen wir 4 Stunden, denn „der Stempelmann hat gerade Mittag“ – so heisst es; wir erleben also das erste Mal echte Behördenwillkür a la Russland; auch die Bakschischforderungen weisen wir ab; das wäre ein Fass ohne Boden, denn der nächste Radler dürfte dann schon mehr zahlen…
Nach dieser Grenze innerhalb einer Bergkette rollen wir nach Ashgabat hinunter, der Hauptstadt dieses Wüstenlandes; 350 km hinter Ashgabat hat man noch eine zweite Stadt in die Karakumwüste gesetzt: Mary. Die dritte und letzte Stadt liegt nach weiteren 350 km Wüste an der Grenze zu Usbekistan. Zwischen den 3 Städten Turkmenistans passieren wir spätestens alle 100 km (aber meist öfters) Truckstops, deren Herz, der „Vulcaniseur“, die ganzen platten Reifen flickt. Der Lkw-Halt mit angeschlossener „Bar“ versorgt uns dann mit Wasser und unserer ärmlichen Nahrung: Brot mit Wassermelone.
Ashgabat hat teilweise sehr tolle Bauwerke, wie Staatsmoschee und Parlamentsgebäude, auch schon verschwenderische Wasserspiele, ansonsten eher eine trostlose Groß- und Hauptstadt. Trostlos geht’s dahinter auch weiter – Turkmenistan ist das erste Land, in dem wir nicht nur gegen extreme körperliche Strapazen, wie 41° C Hitze bei 12 Litern Flüssigkeit pro Tag, sondern auch gegen geistige Strapazen zu kämpfen haben: es ist todlangweilig hier: die jeweils 350 km zwischen den Städten sind eben und gerade, rechts und links immer nur unfruchtbare Steppe… Die Motivation für so eine Reise entsteht im Kopf, das haben wir auch wieder schmerzlich in Usbekistan gemerkt: kaum aufregender gibt es hier außerhalb der Städte nur Baumwollmonokulturen zu sehen. Hier hat man der Wüste mit Wasser aus dem Pamirtrakt Fruchtbarkeit abgerungen, zu dem Preis, dass es teilweise so schwül ist, dass Autoabgase in 1,80 m Nasenhöhe in der Luft hängen bleiben, und man förmlich in diese schwarze Dieselwolke hinein greifen kann – schlimm!
Aber Usbekistan lohnt sich allein wegen der beiden Städte Buchara und Samarkant, die auf unserer Route liegen; wir folgen schon etwa seit dem Kaspischen Meer der historischen „Seidenstraße“. Auf diesem alten Handelsweg, auf dem früher per Kamel, heute – wieder im Kommen – per LKW ein Güteraustausch zwischen Ost und West stattfand, kann man sich an Hand der Prachtbauten Bucharas und Samarkants ein wenig in die Seidenstraßenzeit zurückversetzen; Usbekistan – Städte wie in 1001 Nacht!
Kirgistan, das dritte Land, das zu unserer Zeit das sechste mal Unabhängigkeit von Russland feierte, ist auf unserer Reise das Naturland schlechthin; längs unserer Route finden wir kaum Infrastruktur, drei Orte und 100 km Asphalt, der Rest Holperwege über Berg und Tal; wir queren das Tian Shan Gebirge, das „Himmlische Gebirge“, mit etlichen 7000ern, an denen wir vorbeifahren. Eine grandiose Landschaft. Nomadisch lebende Kirgisien mit ihren Yaks ergänzen das Bild.
Kurz vor der chinesischen Grenze haben wir noch einen Tag Zeit und sehen uns die Karawanserei Tashgabat an, eine komplett erhaltene Herberge der damaligen Seidenstrassenzeit; in Kirgistan sank unser täglicher km-Schnitt auf Grund der schlechten Wege und der Steigungen, sodass wir etwas Angst um den Termin an der chinesischen Grenze bekamen, denn dort hatten wir einen festen Zeitpunkt vereinbart. Wir sollten uns vom staatlichen Reisebüro 170 km mit dem Jeep nach Kashgar, der ersten grossen Stadt im Westen Chinas, transportieren lassen, da dieses Gebiet militärisch gesperrt sei. Wir wurden getrennt von unseren Rädern knapp 3500 Höhenmeter durch aufregendes Terrain nach Kashgar gefahren – es ging nur bergab! Das war das erste Mal, dass wir nicht selber fahren durften, wie ärgerlich! Das Ende vom Lied war, dass unsere Räder komplett verkratzt und verbogen unten ankamen, weil den leitenden Chinesen das Material egal schien.
Während drei Tagen Streit mit diesem Reisebüro lenken wir uns mit der fantastischen Stadt Kashgar ein wenig ab: wir hatten das Glück den Sonntagsbasar miterleben zu dürfen, was mit bis zu 150 000 Menschen ein echtes Multi-Kulti-Erlebnis ist: einige europäische Gesichter, nicht viele Han-Chinesen, aber viele Besucher aus anderen Teilen des Orient und natürlich hauptsächlich Uiguren treiben und handeln, schreien und feilschen um ihre große Moschee herum…
Noch etwa 800 km kommen wir durch besiedeltes Gebiet, das heißt, dass wir spätestens alle 40 km wieder zu Nahrung kommen; heiß ist es nicht! Zu essen bereiten uns die Uiguren ab hier Maisnudeln mit ihrer extra scharfen Chilisosse.
Bis zu 100 km von Oase zu Oase müssen wir weiter östlich, auf der sogenannten Südroute der Seidenstrasse, überwinden. Hier öffnet die Takla-Makahn-Wüste auch ihre Pforten und lässt uns teil haben an ihrer Ödnis: statt der heiss ersehnten Dünenlandschaft sehen wir nur Kies und Steinchen; der Asphalt verschwindet mit den Ortschaften und wir kämpfen uns mit meist sieben bis zehn km/h über sandigen Schotter – welch Qual! Die nächsten 2000 km schlafen wir vier mal in Hotels, hauptsächlich um uns mal wieder ordentlich zu baden, denn das Wasser hier ist knapp; zwar ist es mit täglich 20° C absolut wohltemperiert, aber viele Bademöglichkeiten bieten sich nicht unterwegs…
Ansonsten haben wir etwa 100 Nächte unter`m freiem Himmel geschlafen, 5 Nächte bei Freunden und 10 Nächte bei meist moslemischen Gastgebern. Ein wenig scheitert unsere Mission „Erstbefahrung der Südroute“, denn der eigentliche Weg über eine Strecke von wenigen hundert Kilometern scheint verschwunden, die Dörfer kennt niemand mehr, sie seien verlassen! Wir wählen den nächst südlichen Weg als Alternative und schaffen manchmal nur 30 km, weil die Steigungen und die schlechten Wege nicht mehr zulassen. Der Herbst brachte nicht nur angenehme Temperaturen, sondern ersparte uns auch die berüchtigten Sandstürme. Ab und an ziehen wir an einzelnen Sanddünen vorbei, aber das Gros der Dünen liegt wohl im „Inneren“ der Takla Makahn, nicht am Rande; die Anzahl der Laster, die täglich an uns vorbei fahren, mittelt sich auf etwa 5. Wenn wir mal wieder unseren ONC-Karten nicht glauben wollten, dann haben wir versucht einen Truckfahrer, anzuhalten und zu fragen, wann denn die nächste Essmöglichkeit kommt; die Bereitschaft anzuhalten war klein – dafür haben wir in den Straßenmeistereien Xing Jiangs stets sehr hilfsbereite und gastfreundliche Uiguren getroffen; die sogenannten „Dobans“ waren oft die Punkte auf den amerikanischen Fliegerkarten, die wir für Städte hielten, da auf den Karten weder Distanzen noch viele Städtenamen angegeben sind!
Den abenteuerlichsten Moment erlebten wir, als mitten in der Wüste der Weg vor Sand nicht mehr zu sehen war, und wir unserer Intuition folgen mussten; da dieses Gefühl dank genügend Wasser nicht von Panik beeinflusst wurde, kamen wir nach 10 km Schieben wieder auf den Weg; wir folgten dabei einem vertrockneten Flusslauf. Nach über 1000 km des Sand-Schotters kommen wir in eine Ölförderregion und profitieren von dem Reichtum, indem wir wieder auf Teer fahren konnten. Zur Krönung dürfen wir noch für etwa 30 km klassischste Dünenwelt genießen, die danach in grandios zerklüfftete Felslandschaft übergeht. Wir sind gespannt auf DunHuang, der ersten hanchinesischen Stadt auf unserem Weg, der zweiten grossen Stadt seit Kashgar und dem Treffpunkt der Nord- mit der Südroute der Seidenstrasse; in dieser zwei Mio. Stadt sehen wir etwa gleich viel Autos wie Räder, erstaunlicherweise keine Hochhäuser, dafür aber viel Treiben und – sehr typisch für chin. Großstädte – eine „Fresshalle“. Dort werden stets von bis zu 200 Garküchen exakt dieselben Gerichte zum exakt selben Preis angeboten!
Wir fallen hier nicht besonders auf, oder anders gesagt: die Han-Chinesen sind die ersten, die sich nicht darum reißen, mit uns zu kommunizieren; wie auch?! Denn, nichts geht mehr hier! Dadurch, dass sie in Bilder und Situationen denken und ihre Sprache und Denken nicht auf Worten basiert wie bei uns oder den Uiguren z.B. klappt überhaupt nichts mehr. Das Verständnis von Gestik und Mimik ist ein unüberwindbar anderes; Gott lob dem „Point it“, der Karte mit Schriftzeichen drauf und unseren Englisch-Chinesisch Übersetzungen, auf die wir jeweils zeigen können. Ab DunHuang fahren wir 3300 km durch fast komplett flaches Terrain und sehen hier und da die von der Witterung erodierten Überreste der Grossen Mauer, die China bis dort vor den Mongolen schützen sollte und sehen hier und da die von der Witterung erodierten Überreste der Großen Mauer, die China bis dort vor den Mongolen schützen sollte. Während China bisher hauptsächlich anstrengend und aufreibend war, beginnt mit dem Hanreich zwar ein kommunikativ schwieriges Land, aber man sieht soviel Andersartigkeit, dass sich der weite Weg gelohnt hat: den Terrassenfeldbau zum Beispiel, die Ernährung und am schönsten: die Kleinkinder haben Schlitze in den Hosen statt Windeln…
Ab Xi’An, von wo aus früher regiert wurde, ist das Globetreten der reinste Horror: soviel Verkehr und damit verbunden Dieselruß und Gehupe, dass wir abends dreckig und mit einem Fiepen im Ohr schlafen gehen; während wir uns in der Wüste stets ein angepasstes Bett formen konnten, liegen wir in diesem dicht besiedelten Gebiet schon einmal lieblos neben der Strasse; da sich die meisten der inzwischen 1,3 Mrd. Chinesen an der Ostküste konzentrieren fahren wir täglich durch viele Städte und sehr oft durch Millionen-Städte; wir vermissen die Wüste aber trotz des Verkehrs und der fehlenden Ruhe nicht, denn hier können wir wenigstens essen, wo wir fallen.
Kurz vorm Ziel ist Michael in einer ölglatten Kurve auf Gesicht und Schulter gestürzt. Nix passiert – zum Glück, denn wir haben es auf einmal eilig: anvisiert ist der 28.10.99 in Peking anzukommen, denn bis dann können wir dort meinen Vater auf Geschäftsreise treffen und ihm die Filme mitgeben. Das sind noch 4 Tage und über 1000 km! An dieser Stelle bereuen wir es nicht, „Asphalt zu fressen“, denn wir kommen von einer Stadt in die nächste und wollen nur noch ins Hotelbett und unter die Dusche; nach ein paar Gewalttagen schaffen wir es in 120 Tagen und geben vor Ort eine Pressekonferenz für Pekinger Pressevertreter, sowie die Dpa und sind abends stets für Live – Interviews der Radiosender da. In Peking halten wir uns 13 Tage auf und stehen vor der mongolischen, weißrussischen und russischen Botschaft für die Visa an, bis wir alle Formalitäten für die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn erledigt haben.
Anfang November sinken wir erschöpft von dem nicht minder anstrengendem Peking in die großen und komfortablen Betten der transsibirischen Eisenbahn; in diesen nächsten 7 Tagen bis Moskau reflektieren wir über die Reise und schlafen viel. Ab Moskau geht es für weitere 2 Tage im Moskau-Paris Express nach Köln, wo uns Familie und Medien empfangen.
Trotz ein zwei Diebstählen, wo unter anderem 400 DM und Michaels Tagebuch geklaut wurden und zwei Situationen, in denen man uns dumm kommen wollte, ist unsere „Mit dem Rad nach Peking“-Expedition ein absoluter Erfolg, wir haben es aus eigener Kraft in vier Monaten von Frankfurt nach Peking geschafft: schnell – und dabei trotzdem viel gesehen und erlebt!