2. kurzer Rundbrief aus San Pedro de Atacama in Chile an alle Freunde, Verwandte, Bekannte und Pressevertreter am 23.9.2001

Nachdem ich mit meinem ersten »Come join me Partner«, dem Amerikaner aus Colorado und dem Schweizer Daniel (hat sein eigenes Rad) am 2.9. in Richtung Chile aufgebrochen bin, sind über 18 aufregende Tage vergangen:

Es fing mit der etwa 30%igen Überladung des Tandems an, verursacht durch den grossen Körper und Rucksack von Kyle – das hat leider 3 von 4 Reifen wegen Überdruck zerfetzt. Da wir nun 3 Gewohnheiten unter einen Zeitplan bringen mussten, kamen wir täglich weniger weit, als ich vorher mit Valeria, das liegt aber auch daran, das die Wegstrecken noch schlechter sind als sonst.

Nach dem 2. Tag ab Uyuni passieren wir das letzte Dörfchen für 160 km und müssen uns theoretisch genügend Wasser für den Weg mitnehmen, was schlichtweg nicht geht; wir können nicht noch mehr als 30 kg Wasser auf den Gepäckträger wuchten; der einzige Vorteil: Kyle, ein manischer Verschlamper, hat in den letzten 4 Wochen 4 Kameras, 4 Walkmen gestern sein zweites Paar Schuhe und heute seine Mütze verloren…, d.h. mit der Zeit können wir nur leichter werden und ich muss auf das Zeug achten, das ich ihm leihe, wie Bekleidung und Schlafsack…

Während ich in den 3 Zelten am Fusse eines 6000er Berges warte, besteigen Kyle und David diesen – beide haben extra Bergsteigausrüstung dafür dabei und hatten so etwas vor; nach den 14 h rutschiger und gefährlicher Besteigung meinet der Schweizer, somit das Beeindruckendste seines Lebens erlebt zu haben; so eine tolle Weitsicht auf 5900 m Höhe… jetzt haben sie mich neugierig gemacht, sodass ich den nächsten mit meinen Fahrradschuhen wagen werde…

Wir entnehmen also Wasser aus unsicheren Tümpeln: je näher wir an die berühmten Lagunen kommen, für die der Weg berühmt ist, desto größer ist die Chance arsenhaltiges Wasser abzubekommen – und die Chemikalien können auch unsere Topfilter nicht reinigen; wir stossen bald auf die Hauptstrecke der Jeeptouristen, so dass wir unser lustiges Schnorrspielchen anfangen: wir behaupten nicht ganz zu unrecht, zuwenig zu essen dabei zu haben, und fragen erst ganz bescheiden, ob wir irgendwas abkaufen können – und mit zunehmenden Erfolg – gezielt nach Süsskram; und… es klappt perfekt: so witzig : je elender Das Wetter (es schneite 2 mal) oder je härter unser Einsatz (schweres Rad, am Berg) desto spendabler waren die anderen Jugendlichen oder 40-50-Jährigen, die diese etwa 15 Jeeps am Tag bevölkerten; während wir uns genügend Zeit nehmen können, die tollen Naturerscheinungen wie Fumaroles ( siehe Bilder), heisse Quellen, tolle Felsformen und vieles mehr, beklagen die anderen, stets nur 5 Minuten Zeit zum Knipsen, Pinkeln und Wiedereinsteigen zu haben – und zahlen für die 3 Tage (wir: 18!!) auch noch 80 Dollar.

Höhepunkt nach 14 Tage Nichtwaschens waren eindeutig die heissen Quellen: nach dem alle Jeeps durch waren, hatten wir den ganzen tag Zeit, in den 35 Grad heissen Thermen zu liegen und zw. unseren Füssen Flamingos und dahinter schneebedeckte Berge zu sehen – grandios!

Nach 10 Tagen bekam ich mich mit dem 28-jährigen Kyle zum zweiten Mal in die Haare und wir kamen überein uns an der Laguna Colorada, etwa der Mitte, lieber gütlich zu trennen, als das ausgemachte Ziel »San Pedro« unter Zwang zu erreichen. Bisher hatten wir eine gute Zeit, haben 2 mal dickes Lagerfeuer gegen die nächtlichen Minusgrade (bis zu minus 15 im Zelt) gemacht, über Gott, Amerika und die Welt geredet, 5-Stündige Pfannekuchensessions gemacht, viel gelacht; Kyle, der sich dem Stereotyp entsprechend gerne präsentiert, machte bei den wenigen Dörfern den Oberaffen vor den Kinder, so dass auch wir uns kaum vor Lachen halten könnten: er tanzte rülpsend herum, grunzte, steckte sich 2 Apfelbrüste unter das einzige Seidenhemd das er besass… nachdem sich die Indiomutties sich ausser Sichtweite ihrer Kinder in die Küche begaben, mussten sogar sie schmunzeln.

Am Ende überwog seine Selbstgefälligkeit und er meinte keinen Spass mehr zu haben und auch auf weiteren Reis hätte er keine Lust, also fahre ich um 120 kg leichter alleine mit Daniel weiter.. und es geht auch tatsächlich leichter: mit so viel Gewicht, fliesst wahnsinnig viel Arbeit in Lenkarbeit, bei den schlechten Wegstrecken, ist das anstrengender als Windsurfing…

An den heissen Quellen springt der turiner Daniele von einer Jeeptour ab, und fährt mit uns uns seinem Mountainbike die letzten 4 Tage bis San Pedro. Zuvor besteigen ich mit Daniele den Grenzberg zu Chile »Lincacabur« mit 5935 Metern und dem höchstgelegenen, nicht gefrorenen Wasserspeicher der Erde (dem Vulcansee) – das war wirklich nicht schwer, und ein schönes Erlebnis (siehe Bilder).

Als wir am 21 September abends in einer völlig anderen, super-westlichen Welt, nämlich San Pedro landen, lesen wir im Internet, was man auf dieser Strecke, wo es noch nicht mal Telefon gibt, nicht mitbekam: die fürchterlichen Anschläge, die unseren Weltfrieden gefährden… wahnsinn. Die Chilenen hier wussten das natürlich alle, wie gesagt, das hier ist etwa wie in Spanien, wir sehen abends stets eine halbe Stunde Nachrichten darüber in unserem Hostal; die Leute denken da glaube ich nicht anders drüber als daheim wohl auch, ausser dass man hier wohl am aller wenigsten gefährdet ist.

Jetzt ist der 23. Nach einem schönen, westlichen Abschieds-Frühstück von Daniel und Daniele habe ich mich auf die Suche nach einem neuen »Come join me«-Parter gemacht, und siehe da: die 4. Person, die ich anspreche, Peter Wolf aus Andernach/Rhein sagt zu und fährt mit mir nach Antofagasta, mit Schlenker über den Salar de Atacama, Teer ist uns zu langweilig…

Sebastian Burger