4. Rundbrief an alle Verwandte, Freunde, Bekannte und Pressevertreter Coyhaique/Chile, den 28. November 2001
Wieder ein Monat ist vergangen, seitdem ich habe von mir hören lassen; ich startete Ende Oktober mit dem 19 jährigen Pablo (Santiago) zusammen mit seiner Mutter und einer weiteren Freundin ab Valdivia gen Süden; die 834 km von der total versmogten Hauptstadt Santiagos bis dorthin legten wir im Van zurück, da langweilig; ungünstigerweise wurde in der ersten gemeinsamen Nacht ein Rucksack aus dem Auto gestohlen, der auch Teile meiner Funktionswaesche enthielt, die ich auf Mutter und Sohn aufgeteilt hatte… So kamen wir also mit Pablo nicht weit; denn alleine legte ich 460 km in weiten Kurven durch die dichten Wälder dieser total verdeutschten Gegend zurück.
Furchtbar, aber wahr: der komplette Süden Chiles wurde von Deutschen kolonialisiert, da damals anscheinend niemand anderes dort wohnen wollte; die besten Beispiele dessen findet man z.B. in Frutillar: Münchner Hofbräu-Embleme über jedem Strassenschild; »Tanteemma-Laden«, so der Titel einiger Geschäfte, viele deutsche Namen und Gesichter; aber »Kuchen« (alle Kuchen) und »Kinder« (Kindergarten) sagt man in ganz Chile…
Mit Pablo habe ich nicht nur viel spanisch gelernt, sondern mich auch bestens unterhalten, rein landschaftlich war es nett bis schoen, haben tolle Gegenden zum Emigrieren gesehen, teilweise dschunglige Wälder und reissende Flüsse; das beste aber war, dass wir morgens wie abends »Feuerchen« gemacht haben, und bis auf einer Regennacht immer unter Sternenhimmel schlafen konnten, klassisch romantisch eben…
Am 4.11. erschien im Sonntagsmagazin der größten Überregionalen Tageszeitung ein Artikel um mich und meine Tour, mit Email-Adresse, woraufhin ich 8 E-Mails von Interessierten erhielt, die Betreffs lauteten: »You need me in your Tandem-Team« bis einfach »I want to join«, die erstere hat noch ihren Lebenslauf drangehängt – 5 haben in den nächsten Wochen abgesagt (hätten jetzt ein tolles Arbeitsangebot…tssss) bis auf einen 17 jährigen Nicolass, der die allerletzten 15 Tage bis Ushuaia mitfahren will und einem Mitfahrer für zwischendurch; und der Achte, ein 30 jähriger Santiagoer, begleitete bis heute; Andres, der die Wartezeit auf seinen Ingeneurstitel mit mir überbrückte um sich jetzt nach Arbeit umzusehen, war eine echte Abwechslung in Hinsicht auf Statur: er war das erste richtige »Moggelchen« (1,62m – 80kg) was mitstrampelte – aber es ging eigentlich gut; da er aber grundsätzlich nuschelt, war die Kommunikation leider wesentlich schlechter, und das Wetter eine Katastrophe: 6 Tage Regen auf der »Carrera Austral«.
Landschaftlich echt der Hit: grün, grün, grün mit so einer Art Rhababer am Wegesrand, den der hartgesottene Chilene auch tatsächlich roh isst, wir nicht, bloss hat der einen Blattdurchmesser von 2 Metern hat, wow. Sind ebenfalls am Strand entlanggefahren, mit einer Passage, wo wir auf Niedrigwasser warten mussten, um zu passieren… Viel Muschelfischerei – die Wege mit den Schalen gepflastert (!) und alle gelb-grün-orangeren Fischerbötchen trugen deutsche Mädchennamen, Andrea & Co… Nett! Aber halt Regen!
Und gen Süden richtig kalt; als es anfing zu schneien und ich ohne Handschuhe fast gestorben bin, fluchteten wir kurzerhand in die argentinische Pampa, wo es immer trocken ist; scheints hatte ich jenes andere Element schon vergessen, was die Gegend dort unangenehm macht: Wind, insbesondere Gegenwind; naja in 3 Worten: wir sind also wieder mehr im Auto als auf dem Sattel einen Schönwetterbogen durchs teure Argentinien nach Coyhaique gefahren; jetzt hat`s Sonne auf der Carrera Austral. Ich hoffe es bleibt so, bis ich den nächsten durch den Artikel vermittelten Partner am 17.12 empfange, hoffe ich hier einen einsamen Traveller zu finden.
Ciau Sebastian
P.S.: Sorry, dass es diesesmal kaum Digitalbilder gibt; wenige sind zwar online, aber ohne Text, welcher demnächst folgt. Wegen Regen bzw. Totalausfall meines Solarladers war kaum was möglich!