Valeria Winkler, die erste Copilotin der Reise über die Reise:
Im Gegensatz zu Sebastian war diese Reise für mich die erste, auf der ich Europa verließ und das erste Mal, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs sein würde. Dem entsprechend war meine Aufregung groß, hatte ich doch keine wirkliche Ahnung, was mich erwarten würde. So bestieg ich nach letzten Tagen voller Vorbereitungsstress mit großer Neugier den Flieger.
Nach einem Umsteigestopp in Dallas/ USA überflogen wir in tiefer Dunkelheit den Äquator und nahmen Anflug auf Lima/ Peru. 18 Stunden sollten wir hier verbringen, bevor uns die nächste Maschine nach La Paz/ Bolivien bringen würde. Und spätestens hier wurde klar, dass wir uns nun wirklich in die Fremde begeben hatten: die Mentalität der Taxifahrer brachte uns davon ab, die Wartezeit in einem Hostal zu verbringen. Das nicht enden wollende Hickhack, wer uns nun für wie viele Soles (peruanische Währung) wirklich wohin bringen würde und die gegenseitige Verunglimpfung der limaschen Taxifahrer ließen uns schließlich einen Schlafplatz im Flughafen suchen. Hinter dem Tandem-Megapaket verbrachten wir dann mehr schlafsuchend denn findend die 18 Stunden, umgeben vom peruanischen Flughafengeschehen…
Als wir Lima endlich gen La Paz verließen, war die Spannung groß: wie würde der Höhensprung von ca. 3800 m innerhalb weniger Stunden auf unseren Organismus wirken? Hatte ich mich doch in meinem bisherigen Leben nur mit wenigen kurzweiligen Ausnahmen stets in Nähe des Meeresniveaus bewegt, insbesondere die letzten Monate direkt am Meer gelebt. Erster Eindruck in La Paz: hier klappte das mit dem Taxifahren ohne Probleme, auch das Einchecken ins Hostal Copacabana verlief glatt. So konnten wir uns schon bald nach immerhin ca. 80 bettlosen Stunden auf den bolivianischen Hostallagern ausschlafen…
Nach Kokatee am Morgen – gut gegen die Höhenkrankheit – unternahmen wir unsere erste Erkundungstour in das riesige La Paz: geschwächt von der Höhe bewegten wir uns im Zeitlupentempo durch die schmutzigen Straßen, gesäumt von Marktständen. Der nächste Schritt zur Umstellung erwartete uns: so viel Armut und Dreck hatte ich noch nie erlebt. All die neuen Eindrücke, die exotischen Gerüche, der unseren Lungen noch zu unbekannt niedrige Sauerstoffgehalt der Luft trieben uns schnell wieder in die Hostalbetten. Vorher erwarben wir für so wenige Bolivianos (bolivianische Währung) Brot, dass es uns wie geschenkt erschien. Hier rechnet man mit anderen Maßstäben…
Wir ließen uns drei Tage Zeit, uns auf die la- paz`schen Gegebenheiten umzustellen. Anfangs erschien mir selbst das Filtern unseres Trinkwassers arg anstrengend, aber inzwischen konnten wir sogar schon mal durch die Straßen hetzen. Uns plagte zwar der erste Durchfall, aber der ließ kaum auf dem Tandem unterwegs schnell nach und sollte mich auch erst wieder am Ende unserer Tour kurzweilig ereilen.
Wir verließen also den Krater, in dem La Paz als höchstgelegenste Großstadt der Welt gebettet liegt, wie geplant am 1. August über die hoch hinaufreichende Siedlungen des El Alto per Tandem, den Umständen entsprechend erstaunlich fit.
Mit dem Tandem unterwegs zu sein, hieß Aufsehen erregen: die Bevölkerung um La Paz staunte uns mit aufgerissenen Augen an, ging beinahe misstrauisch einen Schritt zurück.
Nachts schlich sich bei mir die Angst an. Aber das Vertrauen in die Menschen wurde von Nacht zu Nacht stärker: anfangs nach Anfrage neben bewohnten Häusern schlafend, schließlich versteckt hinter Bergkuppen oder Steinmauern campend, bauten wir am Ende unserer gemeinsamen vier Wochen unser Zelt auch schon mal direkt am Wegesrand auf. Dennoch lag die Machete immer griffbereit unter der Isomatte, um dann jedoch nie zum Einsatz gegen Lebewesen zu kommen, schreckten wir durch unbekannte Geräusche auch mal herzklopfend auf, um dann z.B. festzustellen, dass nur die Zeltplane über das Salarsalz im Wind schrappte..
Sebastian war sicher froh, als ich wieder in geschlossenen Räumen schlief, obwohl ich behaupten kann, dass meine Angst mit der Zeit auf alle Fälle geringer wurde…
So ging es von La Paz aus Richtung Norden über Achacachi an den größten höchstgelegensten Süßwasserspeicher der Welt: den Titicacasee. Eigentlich wollten wir ihn nur kurz streifen, um uns dann Richtung Osten nach Mapiri über Bergpässe zumachen. Doch Gerüchte über Bauernaufstände, die sich in Straßenblockaden äußerten, ließen uns schließlich über Copacabana nach Peru ausreisen. So begegneten wir dem herrlich blauen See noch so einige Male, sprangen bei Yunguyo aus waschtechnischen Gründen sogar in seine eisigen Wellen.
Wir hatten seit Beginn der Tour Probleme mit der sehr geringen Luftfeuchtigkeit, die sich bei uns in Form von austrocknenden Lippen und Nasenschleimhäuten zeigte. Seltsamerweise brachte der Titicacasee nicht bemerkenswert mehr Feuchtigkeit in die Atmosphäre, auch waren die Ufer erstaunlich karg begrünt. Nun, vielleicht lag das an der Jahreszeit, herrscht im August hier doch der Winter. Später, als wir Höhen von bis zu ca. 5000 m überfuhren, zeigte die extreme Lufttrockenheit gepaart mit der Kälte auch an unseren Händen ihre Spuren: auf den Fingerrücken bildeten sich schmerzende Beulen, die sich bei mir später öffneten und nur langsam verheilten. Ein bolivianischer Medizinstudent erklärte mir, dass diese Beulen („zavanon“ genannt) für Europäer in der Andengegend typisch und nicht weiter schlimm wären, wenn sie sich nicht entzünden würden.
Ab Juli/ Peru verließen wir dann schließlich die Asphaltpiste und schraubten uns auf Sand-Schotter in karge Berge Richtung Mazo Cruz hoch. In der kargen Landschaft leben vereinzelt Bauern mit ihren Lamas, Alpakas, Eseln, Schweinen, Hunden… Kühe gibt es in den kargen Gegenden Perus und Boliviens nur sehr selten. Dennoch kam uns in den Bergen hinter Juli einmal das Privileg zu, 1 1/2 l frische Milch von einem Bauern zu bekommen. Ich hoffe, wir haben ihm damit nicht eine volle Tagesration genommen! Selbst kleine Kinder werden hier nach dem Abstillen oftmals gleich mit Kaffee oder Tee weiterernährt, was sich dann oft an z. B. sehr schlechten Zähnen zeigt. Erstaunlicherweise aber unterschied sich der Zahnzustand der bolivianischen extrem von dem der peruanischen Indios: die Peruaner hatten bei Weitem bessere Zähne. Sie scheinen hinsichtlich gesunder Ernährung aufgeklärter zu sein.
Auf dem Weg nach Mazo Cruz wurden wir einige Stunden von einem jungen Peruaner auf einem alten Rad begleitet. Es ist wirklich sehr, sehr hilfreich auf Reisen die Bevölkerungssprache sprechen zu können!!(Mein Spanisch bestand zugegeben in Begleitung des gut drauflossprechenden Sebastians vor allem aus Zuhören, als ich dann aber alleine unterwegs war, kam mir der wochenlange Input sehr zu Gute und auch ich konnte richtig informative Gespräche führen.) Sonst ist es noch schwerer ein gegenseitiges Verständnis zu erlangen.
In welcher Hinsicht wir uns dennoch nicht verständlich machen konnten, war unser Vegetarismus. Von beleidigt, besorgt bis hin zu ignorant reichten die Reaktionen. Baten wir auch schon ausdrücklich um Essen „ohne Tiere“, so bekamen wir doch leicht Fleisch vorgesetzt, mit der Antwort „si, ohne Tiere, das ist nur Lama“. Zu guter Letzt kamen wir dann aber meist doch an unser obligatorisches „almuerzo“ heran: Reis, Papas Frittas, Spiegelei. Da wir jedoch im Allgemeinen selbst kochten (dass heißt Sebastian kochte), gab es ohnehin so gut wie nie Ernährungsprobleme. Jeden Morgen, wenn wir mit dem Aufgang der Sonne erwachten, aus den Schlafsäcken in die morgendliche Kälte krochen, das Zelt von einer Eisschicht befreiten, begann Sebastian zu kochen, während ich mich weiter um das Gepäck kümmerte (Zelt ausräumen, Schlafsäcke ausschütteln und zum Trocknen ausbreiten, Wasser filtern…). Meist gab es Gemüse- Reispfanne, das Gemüse immer dem Angebot der Orte, die auf unserem Weg lagen, entsprechend (Zwiebeln, Karotten, Tomaten, Kürbis…). Ab und zu, wenn wir an Eier und Milch (diese leider meist nur in Pulverform) kamen und wir genügend Zeit hatten, gab es Original- Sebastian- Pfannekuchen! Wir hatten für die süße Variante ab und an sogar „mermelada“, Schokolade oder später aus Chile Manjar (karamelisierte Milchzuckercreme). Sebastian kochte immer so viel, dass es für ein gutes Frühstück und für die Mittagspause, manchmal sogar noch für das Abendessen langte. Ansonsten aßen wir weiße, knautschige Brötchen, die im Altiplano einmal wöchentlich gebacken werden. Dreimal hatten wir das Glück an gerade frisch gebackene zu kommen: ein himmlischer Genuss!!! Später kam noch ein neues Ernährungsprodukt dazu: „mais tostada“! In Südamerika gibt es noch andere Sorten Mais als bei uns, diese zum Beispiel ist buntgescheckt. Gekocht mutet sie manchmal wie lilaschillernde Schnecken oder Maden an. Geröstet, so wie man sie oft erhält und wie wir sie das erste Mal probierten, schmecken die Körner wie ungesüßte Natursmacks. Auf alle Fälle ein guter Snack für zwischendurch!!
Nach gutem Frühstück fuhren wir dann in den manchmal schon recht fortgeschrittenen Morgen hinein. Wir hielten oft für Fotosessions, Erkundungen der Gegend, Kommunikation mit den Leuten denen wir begegneten, Wasserfiltern, Einkaufen… So fuhren wir nicht allzu viele Kilometer pro Tag (durchschnittlich 44), bekamen aber viel vom dortigen Leben mit. Manchmal war der Weg aber auch so schlecht befahrbar, dass wir für 40 km den ganzen Tag brauchten. Abends scheuchte uns die Kälte gegen 18 oder 19 Uhr (je nach Zeitzone), die mit der untergehenden Sonne einbrach, in die Schlafsäcke, denn ohne Sonne erreichen die Temperaturen hier ganz schnell Minusgrade. So verlief der praktische Alltag, eingebettet in die verschiedensten Umgebungen und Erlebnisse, die jeder Tag individuell mit sich brachte.
So zum Beispiel der „schwarze Sonntag“ : Der Weg führte uns immer höher und höher durch immer sandiger werdende Pampa. Immer karger wurde es, immer einsamer. Und wir hatten nur noch 1/4 l Wasser dabei!! Als Europäer kennt man die Angst vor dem Verdursten doch nur schlecht, wenn überhaupt. Und sicher reagiert man dann leicht über. Wir fuhren höher und höher, bis an die 5000 m hoch! Gigantische, wunderbar rostrot- ockerfarbige Berge türmten sich um uns auf. Leider wurde der Anblick von meiner Angst um Wasser getrübt. Schließlich sahen wir dann doch etwas in der Abendsonne schimmern. Wir kamen an morastige Tümpelpfützen, voller Kleinstwesen und Tierskeletten! Ich filterte in Weltuntergangsstimmung… Und es wurde kalt, so verdammt kalt! Ich habe diese Gegend an dem Abend als absolut trostlos und düster in Erinnerung, war nervlich ziemlich fertig. Als wir am nächsten Tag auch nur einige zig Meter weiterfuhren, tauchte vor uns plötzlich unfassbarer Weise ein Bach auf!!! Wären wir trotz Wasserpanik nur etwas weiter gefahren, wir hätten uns so einige dunkle Stunden ersparen können!
Die Gegend bekam für mich ein ganz anderes Gesicht, nun hatten wir Augen für die seltsamen Kakteen (Yarreta), die wie grüne Steine im Geröll wuchsen, sahen Vizcachas (Langschwanzhasen) und die gigantische Berglandschaft um uns herum! Bald darauf begann uns der Weg abwärts zu führen.
Auf einmal sahen wir in der Pampa Rauch aufsteigen; ein Ehepaar erzählte uns, dass sie diese seltsamen Kakteen, die wir gesichtet hatten, praktisch nutzen: sie kratzen einen harzigen Brei aus ihnen, den sie als Wund- und Schmerzheilmittel, auch z. B. gegen Kälteleiden, verwenden, dann zünden sie die Kakteen an, die daraufhin bis zu 24 Stunden als Kochherd genutzt werden können. Außerdem zeigten und schenkten sie uns dehydrierte Kartoffeln („chunios“), die viel länger gelagert werden können und sehr viel weniger Gewicht einnehmen als frische Kartoffeln. Sie sind übrigens recht gewöhnungsbedürftig: schrumpelig und innen weiß oder auch schwarz, dazu von ganz eigenem Geschmack.
Weiter ging es auf sandigem Weg, der in Serpentinen in eine nicht enden wollende Tiefe führte. Wir sollten auf an die 70 km ca. 1800 m verlieren. Wir bretterten also auf dicken Sandschichten bergab, und ich saß da auf dem Sattel hinter Sebastian ohne Bremsen, ohne die Möglichkeit zu lenken! Neben dem Weg ging es steil herunter, der Wegrand gespickt mit Holzkreuzen, während unten in den Schluchten die entsprechenden Lastwagenwracks verrosteten(…) Ich höre Sebastian jetzt noch begeistert während der Abfahrt rufen: „Geil!!! Ist das geil!! Diese Magura- Bremsen sind einfach genial!“, während ich mich hinter ihm an das Tandem krallte, bangig in die Abgründe schielte und nichts anderes tun konnte als dem durchgeknallten Herrn an Bremsen und Lenker zu vertrauen! Nun, es kam dennoch, wie es kommen musste: als wieder eine Kurve voller Holzkreuze auf uns zu raste, da lagen wir auch schon im dicken Sand! Abgesehen von einigen Schrammen und einem guten Schrecken sind wir aber heil davon gekommen; den Rest der Strecke legten wir komplett eingestaubt und Sebastian in seinem Enthusiasmus etwas gebremst zurück. So kamen wir in dem Stadtdörfchen Tarata unten im Tal an, sehr zur Belustigung der Jugend!
Diese Abfahrt barg dennoch das schönste Erlebnis der Tour: wir, die wir vorher in den kargsten Höhen von 5000 m so sehr nach Wasser gelechzt hatten, rollten nun ins immer grüner werdende Tal. Die Vegetation änderte sich völlig, bzw. war nun überhaupt vorhanden: blühende Kakteen, Bäume(!!), terrassenartig angelegte Felder, Wiesen, auf denen Fohlen sprangen, Kinder spielten! Und überall rauschendes Wasser, das in kleinen Bächlein und Wasserfällen gen Tal floss!!! Wir fuhren ein ins Paradies!!!! Wie viel so ein Höhenunterschied doch ausmachen kann! So lagen das schlimmste („schwarzer“ Sonntag) und das schönste Erlebnis dicht beieinander.
Von Tarata aus fuhren wir weiter über Tacna nach Arica/ Chile am Pazifik.
An der Grenze mussten wir uns einer langen Kotrolle unterziehen lassen, da die Chilenen sicher gehen wollten, dass niemand Fruchtfliegen oder Drogen einschleppte. So mussten wir unser Obst, Brot und die Marmelade an der Grenze essen. In Arica bekamen wir erst einmal einen kleinen Kulturschock: überall Leuchtreklamen, Tourismus, Konsum! Wir fühlten uns wie in Spanien! Nach unseren Wochen in der Pampa waren wir diesen Anblick einfach nicht mehr gewohnt. So verließen wir Arica gerne wieder gen Einsamkeit, in Richtung zurück nach Bolivien: die Bauernaufstände sollten sich gelegt haben.
Nun ging es daran die Höhenmeter, die wir damals auf unserem Weg von Lima nach La Paz hochgeflogen wurden, mit eigener Kraft zu erkämpfen: vom Meeresniveau in Arica hoch in die Anden nach Peru. Bis ca. 4000 m galt es zu erklimmen! Drei Tage lang fuhren wir nur bergauf! Manchmal hielten wir einen Lastwagen an und erbaten uns von ihm Wasser. So ging es immer höher, immer gebirgiger wurde es und schließlich fuhren wir in den Nationalpark Lauca ein. Dort sahen wir viele Vicuñas, eine grazile, rehartige, sehr kurzhaarige Lamaart. Bald darauf kamen wir an kleine Lagunen, durch die Flamingos mit knallroten Flügeln staksten. Es wurde kälter und feuchter; und schließlich erlebten wir den ersten südamerikanischen Niederschlag unserer Tour: es begann zu schneien! So kamen wir an die Grenze nach Bolivien und fuhren im heftigsten Schneegestöber in Tampo Quemado ein, dem bolivianischen Grenzort. Da wir für solches Wetter nicht gerade bestens ausgerüstete waren, suchten wir hier nach einem Quartier. Am nächsten Morgen fuhren wir durch frischen Schnee auf einen gigantischen Schneevulkan zu: den Sajama, im gleichnamigen Nationalpark. Im Dorf Lagunas spielten die Kinder glücklich im Schnee. Sie hatten sich mit Kohle schwarze Flecke unter die Augen geschmiert, aus Ermangelung an Sonnenbrillen. Der Nationalparkwächter legte uns nahe, uns gut mit Lebensmitteln einzudecken, der nächste größere Ort wäre weit entfernt. Wir hatten inzwischen von mehreren Touristen gehört, dass die Salzseen, auf die wir zusteuerten, voller Wasser und damit unüberfahrbar sein sollten. Wir ließen uns aber erst einmal nicht weiter beirren und behielten den Kurs bei, durch kaum bewohnte, sandig trockene, karge Pampa, belebt durch Lama-/ Alpakaherden, gen Sabaya. Erlebten einen gigantischen Sonnenuntergang mit einem 360° Horizontfarbspiel, nervige Stechfliegen, kleine Windhosen (sehr interessant!), machten gemütliche Feuerchen aus Lamakot und Gestrüpp, am Horizont Schneegipfel.
Teilweise mussten wir stundenlang durch dicken Sand schieben, einen breiten, eiskalten Fluss mehrmals durchqueren; einmal wuschen wir uns auch in ihm. In ihm schwamm zwar so einiges an Lamakot, aber wir waren hinterher sicher doch sauberer als vorher… In Sabaya war die Bevölkerung nicht sonderlich angenehm. Die Leute standen tuschelnd um uns herum, konnten uns kaum Information über die nicht mehr weit entfernten Salars geben und verkauften ihre Lebensmittel zu teuren Preisen.
Bald kamen wir an den Salar de Coipasa zum Dörfchen Combujo, wo wir frischgebackene Brötchen und Mehl bekamen. Eine kesse Frau lud uns zu sich in die Küche ein, damit Sebastian ihr beibringen konnte, wie man Pfannekuchen macht. Ich spielte unterdessen mit den Kindern des Dorfes in der Dunkelheit. Tags darauf ließen wir uns eine Strecke von einem Laster mitnehmen (wir hätten sonst wieder lange Strecken schieben müssen). Es war eine schöne Fahrt auf der Ladefläche, herrlich rumpelte der Laster über die schlechten Wege. Wir kamen immer wieder an ausgestorbenen Dörfern vorbei. Nach einem Erdbeben in den letzten Jahren haben die Menschen hier zwar von der Regierung und der EU neue Dörfer bekommen (nicht weit von den zerstörten) und im Zuge dessen Trinkwassersysteme oder Kinderimpfstellen, aber die meisten Menschen wandern in die Städte ab, da es hier auf dem Land einfach nicht genug Arbeit gibt. Manchmal waren noch die alten Frauen und kleinen Kinder da, oft aber das gesamte Dorf leer.
Wir schafften es noch einmal Wasser zu filtern, dann ging es ab an den „Salar de Coipasa“, der wirklich voller Salzwasser stand und türkis schimmerte. Aber da wir gute Informationen von einem Mann, der mit seiner Familie als letzter in einem Dorf aushielt, bekommen hatten, fuhren wir direkt am Salzwasser zwischen dem Salar und den umgebenden Bergen entlang. Zwischenzeitlich fuhren wir über die grüne, aber doch verminte, Grenze nach Chile rüber, waren aber schnell wieder auf bolivianischem Boden. Wunderschön war es! Jede Menge Flamingos und riesige Kakteen (Cactus Columnus). So erreichten wir Llica, die Kleinstadt am Eingang zu dem größten Salzsee der Welt, dem „Salar de Uyuni“.
Nach letzten Einkäufen und Beratung von einem deutschen Pfarrer machten wir uns auf, diese gigantisch große, weiße Fläche zu überqueren. Es gab keinen wirklichen Weg über den Salar, so steuerten wir zur Orientierung und zwecks Übernachtung am ersten Überquerungstag die Insel Pescado, die ca. 45 km von Llica entfernt liegt, am zweiten die ca. 30 km weiter südöstlich liegende Insel Incahuasi (auch Pescaya genannt) und am dritten das „Hotel del Sal“, ca. 60 km von der zweiten Insel entfernt, an. Wir hatten von dem Pfarrer erfahren, dass kurze Zeit vorher einige Touristen im Salar erfroren waren. Sie hatten wohl keine guten Schlafsäcke, denn auf dem Salz erreichen die nächtlichen Temperaturen bis zu -25°c. Ein Grund mehr, rechtzeitig zur Nacht die Inseln zu erreichen; neben den Tatsachen, dass das Salz recht feucht war und das Campen auf dem Salz wegen den kreuz und quer über den Salar bretternden Jeeps lebensgefährlich werden kann. Die Nächte auf den Inseln waren immer relativ warm, da das dunkle Gestein den ganzen Tag zusätzlich zu dem sie bescheinenden Sonnenlicht auch das vom Salz reflektierte speichert.
Die Fahrt über diesen Salzsee war gut anstrengend: das Salz bildet dicke Schollen mit ca. 5 cm tiefen und breiten Zwischenräumen. Daher konnten wir nur sehr langsam über diese Oberfläche „rumpeln“ und bekamen ziemliche Schmerzen am Hintern. Durch zwischenzeitliches Schieben konnten wir unsere Allerwertesten schonen und kamen dennoch nicht viel langsamer vorwärts. Teilweise stand wirklich noch 5- 10 cm tief Wasser auf dem Salar. Hier war durchweg Fahren angesagt, denn Sebastian hatte keine wasserdichten Schuhe dabei. Obwohl es gigantisch war über eine so riesige, weiße Fläche zufahren, holte uns doch am zweiten Tag die Eintönigkeit ein, so dass wir dankbar waren, von Musik aus dem mitgeführten Minidiskplayer von unseren Hinternschmerzen abgelenkt zu werden.
Aufgeschreckt wurden wir von tiefen Löchern mitten im Salar: ca. kopfgroß und unergründlich tauchten sie mit einem Mal direkt neben uns auf. Wir bekamen ein mulmiges Gefühl: konnte man hier einbrechen??? Vorsichtig fuhren wir weiter und kamen in einer mondhellen Nacht am Ende des dritten „Salar de Uyuni“- Überquerungstages heil am „Hotel del Sal“ an, neben dem wir unser Zelt aufschlugen (die Übernachtung im Hotel kostete ca. 20 US$, dafür ist da drinnen so gut wie alles aus Salz gebaut, einschließlich des Hotels selber…). Später erfuhren wir, dass diese Löcher im Salar „ojos del salar“ (Die Augen des Salzsees) genannt werden, durch unterirdische Quellen entstehen, welche Höhlen in das Salz fressen, und wohl nicht zu Einbrüchen führen können.
Am 31. August kamen wir nach 31 gemeinsamen Reisetagen sonnenverbrannt im Touristenort Uyuni an, wo wir endlich uns und unsere Klamotten waschen konnten. Wir verbrachten in diesem netten Ort unserer letzen gemeinsamen Tage, bevor ich in den Bus nach Calama/ Chile stieg und Sebastian seine „Come Join Me“- Tour begann. Eine erlebnisreiche, wichtige Zeit lag hinter mir. Nicht immer war es für mich, als radreiseunerfahrener Paddel, einfach mit dem erprobten Radfahrer und Perfektionisten Sebastian zu reisen. Dennoch war es eine schöne Reise, die ich immer wieder machen würde; das nächste Mal ja schon um einige Erfahrungen reicher…